BIBEL-TV im ERSTEN

Datum 26.09.2011 13:32:27 | Thema: Sonstiges

oder: "Der Heiland schmeckt nach Esspapier"

von Andrium

Und es begab sich aber zu der Zeit..., dass ich dieser Tage bei meinen Ahnen zum weltlichen Abendmahl geladen war. Im Anschluss an das mediterrane Hackfleischgericht an Blattsalat lief dann - wie jüngst recht verbreitet in Deutschland - "ein kleines bisschen Papst" in der elterlichen Flimmerkiste.

Selbst meine liberale Frau Mama, welche im Gegensatz zu Vater als Säugling nicht katholisch zwangsbewässert wurde, verfiel angesichts des überirdisch-weißen und in symmetrischem Kerzenschein gleißenden Andachts-Spektakels im okkulten, Berliner Führer-Stadion in ein ungewohntes, trance-artiges Schweigen, als zum Höhepunkt des mehrstündigen Einstimmungsprogramms, welches von euphorischem Dauergebrabbel mehrerer spontan-missionierter Moderations-Äffchen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt (einer hieß wohl nicht umsonst Deppendorf - nomen est omen...) begleitet wurde, endlich "Papa Ratzi" in die Umarmung der vollbesetzten Ränge einfuhr. Nachdem er im Schleichtempo seines Himmelsgefährts einem ausgiebigem Bad in der tosenden Menge gefrönt, und genügend ihm begeistert hingehaltene Kleinkinder gesegnet hatte – letzteres ein Bild, welches unfreiwillig verstörende Assoziationen zu vergangenen Skandalen um klerikale Erziehungseinrichtungen wachzurufen vermochte – entstieg der Hohepriester seinem panzerverglasten Zuwink-Wagen und begab sich unter massivem Geleitschutz stumm in sich hineingrinsend auf den bereitgestellten Thron zuoberst der mit schwerem Teppich ausgelegten Tribünenstufen.

Alsbald hob der Pontifex in dem ihm eigenen, süßlich-einschläfernden Tonfall (wahrscheinlich alleinig zum Zwecke der Gehirnwäsche so antrainiert) zur bewährten Mischung aus unterschwellig drohendender Moralpredigt ("schlechte Reben solle man vom Weinstock abschneiden“, mag wohl andeuten: "Ungläubige ausmerzen“ ?) und routiniertem Diktat lateinischen Bet-Geleiers an. Kräftig musiziert, allerseits fleißig mitgesungen und“gevater-unsert“ wurde zwischendurch natürlich auch - Business as usual... In einem matten Anflug von Protest konnte ich es mir nicht verkneifen, vor dem Bildschirm einen scherzhaften Kniefall samt hastiger Bekreuzigung auszuführen, womit ich unsere einstmalige polnische Haushaltshilfe imitierte, die zu ihrer Zeit selbigen Akt untertäniger Frömmigkeit reflexartig beim Anblick von Karol Wojtyla in einem Röhrenfernseher vollzogen hatte. Keine gute Idee, wie ich an der irritierten, mütterlichen Miene ablesen konnte.

Mein wenig später folgender, spöttelnder Kommentar, "den weih-berau(s)chten und freuden-trunkenen Marienverehrern sei auch einmal die eigene Love-Parade inklusive bekutteter Edelversion von 'Doktor Motte' in der Bundeshauptstadt gegönnt“, wurde seitens meiner ins Live-Geschehen kontemplativ versunkenen Erzeugerin mit eiskaltem Blick und dem mündlichen Tadel quittiert, dass man sich über Glauben gefälligst nicht lustig zu machen habe. Ausgerechnet dies hatte ich auch gar nicht beabsichtigt; war doch lediglich der überzogene Personenkult und die intensive, mediale Langzeitprostitution des Staatsfernsehens für die meiner Meinung nach unpassende Menschenanbetung das Ziel meiner sarkastischen Erheiterung.

Als sich kurze Zeit darauf im gezeigten Berlin-Programm die rund 80.000 geladenen Jünger inklusive des regulären Polit-Promi-Pflichtaufgebots dem kollektiven "Leib Christi-Zermalmen" in ungesäuerter, Sonnenkult-gängiger Rundscheibenform hingaben, sparte ich mir in Befürchtung weiterer, spätpädagogischer Belehrungen zu meinem angeblich mangelnden religiösen Respekt, und zur Prävention häuslichen Unfriedens lieber gänzlich den geplanten, religionsvergleichenden Fachvortrag über das Phänomen der Theophagie, den Kannibalismus diverser Kulturen und das Speise-Ersatzopfertum im Wandel der Menschheitsgeschichte...

Ob meine kürzlich vollzogene Selbst-Exkommunikation (ja, ich bin endlich ausgetreten!) den eigentlichen Grundanstoß für die hier erfolgte, für meine Mutter recht untypische, da wenig humorfreundliche Reaktion gab, kann ich nicht widerspruchsfrei beantworten. Es wäre aber zumindest ein unbestätigtes Indiz im Nachhinein, dass meine Entscheidung zur glaubenstechnischen Narrenfreiheit nicht auf ihr uneingeschränktes Verständnis getroffen war. Stellte sich diese obskure Vermutung als treffend heraus, so könnte ich ebendies dennoch gut nachvollziehen, da ich selbst lange mit mir gerungen hatte, den genannten Schritt zu wagen.

Die schleichende Indoktrination durch ungefragte Taufe, Religionsunterricht, Firmung bzw. Konfirmation, begleitende Sonntagsschule und ggf. auch kirchliche Trauung sitzt mitunter ziemlich tief. Dementsprechend tendiert man dazu, an einem das schlechte, aber dennoch fehlleitende Gewissen nagen zu lassen, ob man auch ohne “Mitgliedsausweis“ und “Vereinsbeitrag“ ein guter Christ bzw. ein guter, nichtchristlicher Mensch sein kann. Obgleich so geartete Befürchtungen keiner logischen Betrachtung standhalten, da wir unsere abendländischen Werte und geschätzten Menschenrechte in erster Linie der mitunter sehr kirchenkritischen Philosophie und Aufklärung zu verdanken haben.

Aber die langjährige Sakralbehandlung vermag es, wie ein subtiler Weichmacher auf das Rückgrat spiritueller Vollmündigkeit zu wirken. Und die Furcht vor “Gottverlassenheit“ greift gerne nach dem Schopf des inneren Kindes, um uns trotz aller berechtigter Zweifel und nüchterner Selbstversicherungen weiter in der Herde der Gemeinde zu halten. Und wie wir wissen, ist gerade Glaube eben alles andere als logisch, sondern primär gefühlsorientiert; basierend auf ursprünglichsten Ängsten und Hoffnungen, die dann als großzügiger Nährboden für Gruppenzwang, Angepasstheit und die mitunter recht kompliziert zu befolgenden, ethisch-moralischen Verhaltenssysteme bzw. die unvermeidlichen Strafandrohungen der organisierten Religion herhalten müssen. "Tue dies – unterlasse dafür jenes, oder sonst...!“

Allen Bemühungen in Richtung mehr Ökumene zum Trotz, gilt aktuell immer noch die alte Lehrmeinung des Vatikans, derer zufolge es ohne eine Clubkarte der röm.-kathol. Kirche überhaupt keine Erlösung geben kann. Jegliche christliche Alternativgemeinschaft ist sog. “Irrglaube“, jede nichtchristliche Überzeugung ist “Heidentum“, und ihre Anhänger fahren allesamt ohne Unterschied oder Umweg in Hölle und Verdammnis ein – der selbstloseste Protestant, der vegetarischste Hindu, der friedlichste Ureinwohner Amazoniens und der erleuchtetste Zen-Mönch gleichermaßen wie der gewöhnliche Raubmörder, Ehebrecher, Betrüger und Kinderschänder. Die letztgenannte Aufzählung von Kapitalverbrechern besitzt – so katholisch – immerhin das nicht zu unterschätzende Privileg, im Beichtstuhl um Sühnemöglichkeit und Ablass angesichts ihrer Schandtaten bitten zu können und daraufhin die Absolution zu erhalten. Klingt ungerecht, ist aber so...

In Anbetracht dessen ließe sich die anthropologisch-orientierte, und gerade deshalb äußerst häretische Frage einwerfen, ob denn alle Menschen, die in den geschätzten viertel Million Jahren in annähernd heutiger Form auf unserem Planeten wandelten und unschuldigerweise nie “die eine wahre Lehre“ kennenlernen durften, nun gemeinsam im Orkus ewiger Qualen dahinbrutzeln müssen, auch wenn sie ggf. ein – so überhaupt menschenmöglich – sündenfernes Leben geführt hatten. Und wie ist es eigentlich erlösungsmäßig um die potentielle Unzahl an intelligenten Lebensformen da draußen im Universum bestellt? Interessiert der Vatikan sich neuerdings etwa lediglich aus dem Grund derart intensiv für Astronomie und andere Sonnensysteme, weil er bereits klammheimlich Ausschau nach bekehrungswilligen und demzufolge “errettbaren“ Aliens hält? Sehen wir hier vielleicht die leisen Anfänge einer katholischen “Exo-Politik“ aufkeimen? Aber lassen wir das; denn wie der Papst gerade neulich wiederholt in etwa verlauten ließ: "Westlicher Rationalismus führt bloß zur Diktatur des Relativismus; und das ist schlecht!“

Beeindruckend jedenfalls, wieder einmal die bewusstseinsbannende Macht von religiösen Massen-Events selbst über völlig aufgeklärte, eigentlich konfessionsfremde und genetisch verwandte Lebendbeispiele demonstriert gesehen zu haben. Erscheinungskonform zu Sportveranstaltungen und gelegentlichen Vermählungen blauen Blutes (noch so ein überflüssiger Anachronismus) übt die multimediale Marathonberichterstattung der Papstbesuche einen beinahe archaischen Sog aus, dessen Kraft sich der gemeine Nackt-Hominide mit seiner instinktiven Aufmerksamkeit bezüglich allem Rituellen (und generell allem, was lärmt, blinkt und auf wichtig tut) nur schwerlich auf dem Wege der Ratio zu entziehen vermag.

Es beruhigt daher zumindest die Gewissheit, dass öffentliche Hexenprozesse und Hinrichtungen vor Großpublikum - dem säkularen Humanismus sei Dank - in unseren Breiten mittlerweile eher rar geworden sind (auch wenn z.B. in den USA gerade die christlich-konservative Ecke notorisch nach mehr Todesstrafen schreit) und in vorliegendem Beispiel zum Glück nur tonnenweise verfüttertes Oblatengebäck “an seiner statt“ das knusprige Dasein inmitten des ausverkauften Olympiastadions lassen musste.

Fazit: Der heilige Stuhl genießt offensichtlich auch im - durchschnittlich gesehen eher wenig religiösen - Wohnzimmer des Bundesbürgers allzu oft noch seine bequeme Immunität und Unfehlbarkeit; und eine gut inszenierte Show war schon immer der Kirche halbe Miete, wenn es auf vernunftbefreite, aber dafür ausreichend emotional gesättigte Überzeugungsarbeit ankam. Gerade in Verbindung mit dem Gewohnheitsmedium Fernsehen gilt auch hier: "Steter Tropfen höhlt den Stein bzw. das Hirn!“ Aber das alles bietet keinen Anlass zu übermäßiger Verwunderung - denn immerhin haben die römischen Gottesvertreter ob ihres ausgeklügelten PR-Konzeptes seit der Zeit von Konstantins mirakulöser Bekehrung ("in hoc signo vinces“) hinreichend praktische Fachkompetenz ansammeln können, auch dem letzten Möchtegern-Ketzer schon alleine mit der schieren Wucht aus Goldglanz, Pomp und Orgelgetöse die freidenkerischen Zweifel auszutreiben, wer wirklich des Herren offizielles Sprachrohr auf Erden sei...

Andrium, 23. Sept. 2011



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